Als Teil der Eventbranche traf Corona die Firma Succevo mit voller Wucht. Überlebt hat sie nur dank einer neuen Geschäftsidee. Die Nachfrage nach der Erlebnis-Plattform für virtuelle Veranstaltungen ist riesig – und das Unternehmen für den Wirtschaftspreis nominiert.

Tutzing – [Ein schwedisches Unternehmen] veranstaltet im September ein Treffen mit seinen Franchise-Unternehmen aus aller Welt. Rund 600 Vertreter werden dann durch große Türen in eine Messehalle treten. Sie werden sich an einem Stand über das Programm informieren. Sie werden in einen Aufzug steigen und dann wahlweise in den großen Vortragssaal oder in kleine Workshop-Räume gehen – und vielleicht auch auf einen Plausch ins Restaurant. Für das Treffen wird aber niemand in ein Flugzeug steigen. Es findet im virtuellen Raum statt. Die digitale Plattform dafür wurde in einem Tutzinger Wohngebiet erdacht – beim Unternehmen Succevo, das wie zehn andere für den Wirtschaftspreis des Landkreises nominiert ist.

45 Mitarbeiter hat die internationale Eventmanagement-Firma mit Niederlassungen in Dubai, Sofia und Bangalore, die vor zehn Jahren aus der Agentur Team Seefried hervorgegangen ist. Elf von ihnen arbeiten am Hauptsitz in Tutzing – vor allem junge Leute, die mit Headsets vor ihren Bildschirmen sitzen. CEO Mark Pearson führt durch die hellen Räume mit großen Glasscheiben und erklärt mit britischem Akzent die Firmenphilosophie. Eine komplette Wand füllt der Schriftzug „Make it matter“, was man wörtlich mit „Mach es bedeutsam“ oder frei mit „Erschaffe etwas, das bleibt“ übersetzen könnte.

„Krise als Chance“ lautet das Motto des Wirtschaftspreises. Für Succevo müsste man die in Corona-Zeiten inflationär bemühte Redewendung leicht abändern – in „Krise als Überlebenschance“. Keine Messen, keine exklusiven Partys, keine großen Betriebsversammlungen: Der „Totalzusammenbruch“ (Pearson) der Eventbranche erwischte im März auch Succevo. Die Firma lebte bis dahin von ihrem Produkt „Meetingbox“ – laut Homepage-Definition eine „Eventmanagement-Lösung für optimierte Arbeitsabläufe, mehr Transparenz und bessere Event-Erlebnisse“. Eine Software, mit der Veranstaltungsplaner gestalten, organisieren und den Überblick behalten können – den Ticketverkauf, das Programm, die Internetseite und vieles mehr. Zu den Kunden zählt die Fluggesellschaft Emirates, Feinkost-Käfer nutzt die Succevo-App für die Party-Planung, in der Allianz Arena werden mit ihr Business-Events organisiert. Ein Workflow-Management-Programm für die Projekt-Koordinierung (Pearson: „Vom Angebot bis zur Rechnung“) war ein weiteres Standbein.

Dann kam Corona. Succevo meldete Kurzarbeit an, es gab ja nichts mehr zu tun. Bis die Mitarbeiter im Homeoffice begriffen: „Die Zukunft ist digital“, wie es der CEO formuliert. Innerhalb von nur zwei Monaten entwickelten sie mit Unterstützung aus Sofia die Plattform „Virtual Event Experiences“. „Wir hätten sonst nicht überlebt“, räumt Pearson im Nachhinein ein.

Am überdimensionalen Flachbildschirm im Keller-Konferenzzimmer führt er das Tool vor. Unter anderem die „Expo-Funktion“, die dem Ikea-Franchise-Treffen besonderes Flair verleihen soll. „Das Event muss ein Erlebnis sein, mehr als ein Zoom-Meeting, auch wenn jeder zu Hause sitzt. Die Leute haben das Gefühl, an einem Ort zu sein“, sagt Pearson. Dann klickt er sich an einen Messe-Stand zu animierten Menschen im Business-Outfit. Man könne sie mit echten Gesichtern bestücken, wenn man will. Die digitale Tour führt in einen Saal mit großer Leinwand, dann in einen Workshop-Raum mit modernen Sitzmöbeln.

Die Plattform kann individuell angepasst werden. Die Inhalte der Veranstaltungen müssen von den Kunden geliefert werden. Zum Beispiel, welche Räume für Livestreaming genutzt werden, oder wo es Platz für Chats und Networking gibt.

Die Nachfrage könne man derzeit noch nicht befriedigen, sie sei riesig. „Meine Vertriebler sagen ständig nein.“ Pearson rechnet nächstes Jahr mit 20 bis 40 Events im Monat, die man mit „Live-Supportern“ begleiten müsse. Im Tutzinger Wohngebiet denkt der Brite jetzt über die alte und die neue Welt nach. „Die Zukunft ist hybrid“, sagt er jetzt. Veranstaltungen würden bald öfter beides ermöglichen, den tatsächlichen und den virtuellen Besuch. „Die Leute werden nach Corona genauer überlegen: Muss ich wirklich für vier Tage nach Berlin fliegen, um zwei Leute zu treffen und an zwei Workshops teilzunehmen?“ Für den CEO ist die Antwort klar: „Die Menschen lieben die Flexibilität.“

Übersetzt von Nicola Fichtner aus dem Original von Tobias Gmach